Jetzt kommt mal wieder ein Klugschwätzer Beitrag in Sachen Stil und Etikette.

Ich war in der Oper. Alice in Wonderland – ein zauberhaftes Ballett mit grandiosen Kostümen und wunderbarer Musik. Aber das heute nur am Rande.
Ich habe die Abo-Plätze von meiner lieben Tante Jutta (Gott hab sie selig) geerbt, die mit mir seit meinem 12.Lebensjahr regelmäßig in die Bayerische Staatsoper gegangen ist. Ich kann Ihnen sagen, seitdem hat sich einiges geändert- vor allem beim Publikum.

Von meiner Tante habe ich gelernt, dass man im Winter mit dicken Stiefeln und Pelz (ja damals war das noch so) und einer Schuhtasche in die Oper geht, um diese dann elegant in der Garderobe zu wechseln, damit die Schuhe zum Abendkleid (Cocktail oder kleines Schwarzes) passen…

Wozu stehen sonst die vielen goldenen Bänkchen rum?

Sie legte sehr viel Wert auf elegante Kleidung- es sei der Respekt vor den Künstlern auf der Bühne, die sich für uns die „Seele aus dem Leib singen“ . Sie lehrte mich, dass es drei mal klingelt, bevor es richtig losgeht und dass es sich nicht schickt, sich als Letzter ohne Not, mit dem Hintern voran durch die Reihen auf seinen Platz zu quetschen. Sie wusste genau, dass man in der Pause genügend Zeit hat, um einen Happen zu essen (-vorzugsweise Vanille Eis mit heißen Himbeeren) und schnell noch vor dem 3.Klingeln auf die Toilette sausen kann, denn da ist die Schlange am kürzesten.

Ich stelle wieder einmal fest, dass eigentlich jeder so eine „Tante Jutta“ bräuchte- klamottentechnisch war der Anblick des Publikums eine einzige bunte Katastrophe (bis auf wirklich wenige Ausnahmen) und eine Ansammlung an Stilunfällen…ganz junge Mädchen, in riesiger Ballrobe (trägt Frau nur zu wichtigen Premieren und in Bayreuth) neben lieblosen Bürooutfits, speckigen Winterstiefeln zu zarten Röcken, Glitzerjacken seit den 80ger Jahren aus der Mode, Jeans mit kariertem Hemd (nicht nur in der Trampelloge), Kreppsohlen an so vielen Männerfüssen…

STILBERATUNG MÜNCHEN | HEIKE GOOSMANN-LAUER